Brasilien

„Wir tun unser Bestes“

22.01.2018

Seit 42 Jahren lebt und arbeitet Pater Hugo Scheer SVD als Missionar in Brasilien. Während seines Besuches in der Missionsprokur Sankt Augustin berichtet er von seinen Tätigkeiten in der theologischen Ausbildung und im sozialen Bereich.

Im Nordosten des südamerikanischen Landes in der Stadt Vitória, der Hauptstadt des Bundesstaates Espírito Santo, hat der Steyler Missionar Pater Hugo Scheer SVD unter anderem die „Vila Nazaré“ für HIV-infizierte Kinder und Jugendliche aufgebaut. Daneben ist er in der Straßenkinderpastoral aktiv und hat sich als Professor für systematische Theologie mit für den Bau eines neuen Gebäudes für die Philosophisch-Theologische Hochschule der Erzdiözese Vitória eingesetzt.

Pater Hugo Scheer SVD (Foto: Melanie Pies-Kalkum/SVD)
Pater Hugo Scheer SVD (Foto: Melanie Pies-Kalkum/SVD)

„Mittlerweile haben wir das Problem der Inklusion“, bedauert Pater Scheer die Situation in der „Vila Nazaré“, dem Auffangheim für HIV-infizierte Kinder. „Kein Kind darf länger als zwei Jahre im Heim bleiben, bevor es in seine Familie zurückmuss.“ Vor der UN-Konvention konnte sich Pater Scheer zusammen mit seinem Team für einen längeren Zeitraum um die Kinder kümmern. Zwischen zwei Monaten und 17 Jahren waren alle Altersklassen in dem Heim vertreten. Entweder weil sich die Jugendlichen selbst mit dem HI-Virus angesteckt hatten oder weil sie es – wie bei vielen Kleinkindern der Fall – bereits im Mutterleib durch das Blut ihrer Mutter übertragen bekommen hatten. „Wegen des Beschlusses mussten die ‚Großen‘ von einem Tag auf den anderen zurück in ihre Familien“, beklagt Pater Scheer. „Wir hatten zum Beispiel einen 17-jährigen, den wir zu seinem Onkel schicken mussten. Der Onkel aber wollte ihn nur für drei Monate aufnehmen. Danach sollte er wieder ‚weitergereicht‘ werden.“ Ein unhaltbarer Zustand für Pater Scheer. „Und das sind nicht die einzigen Probleme und Herausforderungen, vor denen wir stehen“, meint P. Scheer. „Wenn wir sie entlassen, sind sie nicht mehr ausreichend ärztlich versorgt. Bei uns wurden sie einmal im Monat untersucht. Aber wer kümmert sich um sie, wenn sie wieder zuhause sind? Wer sorgt dafür, dass sie weiterhin ihre Medikamente einnehmen?“

In der "Vila Nazaré" kümmern sich die Steyler Missionare auch um Familien, die HIV-infiziert sind. (Foto: SVD)
In der "Vila Nazaré" kümmern sich die Steyler Missionare auch um Familien, die HIV-infiziert sind. (Foto: SVD)

Zurzeit werden in der „Vila Nazaré“ also nur noch zwölf Babys und Kleinkinder betreut. Was die Steyler Missionare aufgrund der Veränderungen dort neu anbieten, ist eine Art „Wellnesswochenende für Familien“. „Wenn eine Familie beispielsweise ein krankes Kind hat oder eines der Elternteile ebenfalls krank ist, können sie als Familie ein Wochenende zu uns kommen und sich versorgen lassen. Sie müssen nicht kochen, waschen oder ähnliches. Die Mütter können bei uns zum Friseur gehen und so weiter“, erzählt der Steyler Missionar.

Wie die medizinische Versorgung der HIV-Infizierten in den nächsten Jahren über die „Vila Nazaré“ hinaus bewerkstelligt werden könne, sei noch unklar. Denn auch die Zahl der Kranken hat wieder zugenommen laut Pater Scheer. „Die Leute werden wieder nachlässiger, was die Verhütung angeht. Es stecken sich immer mehr an.“ Und aufgrund der Wirtschaftskrise in Brasilien seien einige Kassen im öffentlichen Gesundheitssystem leer, viele Medikamente fehlten. „Zum Glück werden wir aber weiterhin unterstützt, denn die Regierung verteilt immer noch kostenlose Arzneimittel gegen HIV.“

Zusammen mit der Caritas, den Pfarreien und Orden und der Erzdiözese Vitória setzt sich Pater Scheer unter anderem für Kinder ein, um sie vor einem Leben auf der Straße zu bewahren. (Foto: SVD)
Zusammen mit der Caritas, den Pfarreien und Orden und der Erzdiözese Vitória setzt sich Pater Scheer unter anderem für Kinder ein, um sie vor einem Leben auf der Straße zu bewahren. (Foto: SVD)

Das ist nicht die einzige Baustelle für den Steyler Missionar. Die Elendsviertel im Großraum Vitória, die im Laufe der vergangenen 80 Jahre entstanden seien, nähmen kein Ende. Die Ärmsten der Armen ohne Ausbildung seien in den letzten Jahrzehnten vom Land in die Stadt gezogen. Heute wohnten mehr als 80 Prozent der Brasilianer in den städtischen Ballungsräumen. Es fehle an Arbeit, an guten Schulen, Ausbildungsplätzen, Wohnungen und allgemeiner Infrastruktur. „Die Leidtragenden sind wie immer die Kinder. Im Großraum Vitória rechnen wir mit 30.000 Kindern und Jugendlichen, die im Risikobereich der Drogen, der Gewalt und der Prostitution leben“, erläutert Scheer. In von der Erzdiözese, der Caritas, den Pfarreien und Orden eingerichteten Häusern setzt er sich mit Teams aus Betreuern, Pädagogen, Lehrern und Sozialarbeitern dafür ein, den Kindern und Jugendlichen eine Zukunft zu ermöglichen. „Unser Hauptaugenmerk ist die Prävention. Wir arbeiten darauf hin, dass diese Kinder gar nicht erst auf der Straße landen. Denn sind sie einmal dort, kommen sie nicht mehr weg“, weiß Pater Scheer. Die Kinder kämen aus armen Familien, in denen es an Betreuung mangele oder die Eltern selbst drogensüchtig seien. Ohne Hilfe würden die Kinder irgendwann auf denselben Weg geraten. „Deshalb betreuen wir sie in ihrer Freizeit für ein paar Stunden am Tag, bei den Hausaufgaben, bieten Basteleinheiten oder ähnliches an, versorgen sie natürlich auch mit Nahrung und kontrollieren ihren schulischen Werdegang“ 4.000 Kinder betreuen P. Scheer und seine Kollegen im Moment in der Erzdiözese Vitória. Dafür sei Prävention für ihn die beste Maßnahme.

Im Januar 2018 wird die Philosophisch-Theologische Hochschule in Vitória das neue Gebäude beziehen. (Foto: SVD)
Im Januar 2018 wird die Philosophisch-Theologische Hochschule in Vitória das neue Gebäude beziehen. (Foto: SVD)

Sein drittes Arbeitsgebiet ist die theologische Ausbildung. Seit den 80er Jahren existiere die „Philosophisch-Theologische Hochschule der Erzdiözese Vitória do Espírito Santo“ im Nordosten Brasiliens, erzählt Pater Scheer. Aufgrund der steigenden Zahlen der Studenten und der Zulassung von Laien zum Studium in den letzten Jahren hat er sich als Professor für systematische Theologie an dem Projekt beteiligt, eine neue Ausbildungsstätte der Kirchenprovinz für verschiedene Aus- und Fortbildungskurse zu bauen. Ende Mai 2017 sei das neue Gebäude nach 12-jähriger Bauzeit nun eingeweiht worden mit 15 Hörsälen für jeweils 50 Studenten. „Wichtig ist uns, dass wir Menschen für viele kirchliche Dienste ausbilden können, sei es zu Katecheten für Erstkommunion, Firmung oder zur Taufvorbereitung usw.“ Ab Januar 2018 gehe es los mit der Ausbildung. Pater Scheer ist überzeugt: „Wie man sieht gibt es viel zu tun in Vitória. Und wir tun in allen Bereichen unser Bestes.“

Melanie Pies-Kalkum
 
Melanie Pies-Kalkum

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