Ghana
08.03.2022
Wiederholung zum Weltfrauentag am 8. März 2022: Hexendorf-Projekt der Steyler Missionare in Ghana
In diese Gegend kommt kein Tourist. Es gibt keine Straßen, keinen Strom, kaum Trinkwasser. Nur Staub, Lehmhütten und die sengende Hitze der afrikanischen Sonne. Hier, im Norden Ghanas, sind die Wege während der Regenzeit kniehoch überflutet. Manche Dörfer durch Ströme und Matsch zu erreichen, ist dann eine Tortur. Mit dem Fahrzeug schier unmöglich.
Mitten in diesem Buschland befindet sich das neue Zuhause von rund 70 Menschen. Das Gushiegu-Hexencamp. Hier leben Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen der Hexerei beschuldigt und aus ihren Dorfgemeinschaften ausgeschlossen wurden. Eine davon ist die 38-jährige Moseam. Für sie und die anderen ist das Camp ein Flüchtlingszentrum. Der Ort, der ihnen das Weiterleben ermöglicht. Sechs solcher „Hexencamps“ gibt es im Norden Ghanas, in denen die Beschuldigten Zuflucht finden.
Im Gushiegu-Camp hat Moseam ihre neue Bleibe. 4 Jahre ist es her, seit sie ihr Heimatdorf verlassen musste. Ihr Schwager hatte sie damals für seine schlaflosen Nächte verantwortlich gemacht und sie deshalb als Hexe beschuldigt. Die Anklage griff im Dorf um sich. „Nach kurzer Zeit sagten die Dorfbewohner, dass sie nicht mehr mit mir zusammenleben könnten, weil ich mit meiner Hexenkraft nur Unheil über das Dorf bringen würde“, erzählt sie mit ruhiger Stimme.
Der Glaube an Hexen und ihre Hexenkraft ist in Ghana weit verbreitet und gehört zum Alltag. In der ghanaischen Kultur passiert nichts zufällig. Alles hat eine Ursache. Wenn jemand von einer Schlange gebissen wird, eine Krankheit bekommt oder plötzlich stirbt, muss es einen Verantwortlichen geben. Wegen der patriarchalischen Strukturen in Ghana sind es meistens Frauen, die angeklagt und vertrieben werden. „Frauen, die mutig und progressiv sind, sich also auf die Höhe des Mannes begeben. Oft aber auch ältere Frauen, die man loswerden möchte, weil sie ‚keinen Nutzen mehr haben für die Gesellschaft‘“, erklärt Pater Phanuel Myers Agudu SVD. Seit Jahren setzt sich der Steyler Missionar zusammen mit seinen Mitbrüdern für die Beschuldigten in den Hexendörfern ein, baut Brunnen, versorgt sie mit Nahrungsmitteln und Seife und versucht ihre Position in der Gesellschaft zu stärken. „Wenn eine Frau öffentlich beschuldigt wird, hat sie eigentlich keine Chance mehr. Einmal beschuldigt, ist sie stigmatisiert. Man meidet sie, will nichts mehr mit ihr zu tun haben“, weiß der Ordensmann. „In ihren Heimatdörfern werden sie dann solange geschlagen und gefoltert, bis sie zugeben, eine Hexe zu sein. Dann müssen sie das Dorf verlassen. Sonst bringt man sie um.“
Durch ihr Stigma ist es sehr schwer für die Frauen, einen Job zu finden. Auch Moseam ist arbeitslos. Um ihren Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten, geht sie tagsüber auf Farmen und sucht Erntereste zusammen. „Das ist alles, was ich heute finden konnte.“ Sie zeigt auf den Boden und fängt langsam an, einen kleinen Haufen Getreide zu sortieren. Sand und Steine müssen raus. Morgen wird daraus Frühstück gemacht. Noch ist sie nicht lange im Camp. Manch andere ist schon über 20 Jahre dort. All ihre Gesichter sind gezeichnet von ihrem Schicksal. Moseam ist auf ihrem rechten Auge blind. Sie erzählt nicht viel. Und doch spricht ein Stolz aus ihr, wenn sie erzählt. Der Stolz einer Frau, die nicht aufgegeben hat und die mit neuem Lebensmut nach vorne blickt.
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