Indien
25.03.2020
Offiziell ist die Sklaverei längst abgeschafft. Trotzdem gibt es sie heute immer noch. Etwa in einer abgelegenen Region Indiens, wo der Stamm der Puroiks in Unfreiheit lebt. Durch Bildung versuchen die Steyler Missionare dies zu ändern und bauen dort eine Schule
„Wann endlich? Wann werden unsere Kinder frei sein?“ Ständig wird Pater Patrick Vincent D’Souza diese Frage gestellt - von verzweifelten Müttern und Vätern des indischen Puroik Stammes. Die meisten von ihnen kennen Freiheit nicht, haben nie ein selbstbestimmtes Leben geführt. Seit Hunderten von Jahren leben die Puroiks als Sklaven, werden vom Stamm der Nyishis beherrscht, für die sie auf den Feldern und im Haushalt hart arbeiten müssen. Sie werden gekauft und verkauft wie Waren, Erwachsene genauso wie Kinder.
Die Puroiks und ihre Herren, die Nyishis, leben in der Region Arunachal Pradesh im Nordosten Indiens, in den unzugänglichen Bergtälern am Südhang des Himalaya. Die Zahl der Puroiks wird auf etwa 10.000 geschätzt. Sie leben in kleinen Dörfern, ohne Strom oder andere Errungenschaften der Moderne. Ihre Bambushütten liegen meist am Rande des Urwalds und in der Nähe eines Flusses. Einen dreitägigen Fußmarsch muss Pater D’Souza auf sich nehmen, um zu ihnen zu gelangen und ihnen zu helfen. „Wir Steyler Missionare können nicht hinnehmen, dass ein Volk dermaßen unterdrückt wird“, betont er.
Warum die Nyishis die Puroiks versklaven konnten und seit wann sie sich
als Herren begreifen, ist letztlich nicht geklärt. Wie überall auf der
Welt ist auch in Indien die Sklaverei längst abgeschafft. Doch diese
jahrhundertealte Machtstruktur ließ sich in diesem abgelegenen Winkel
des Landes durch Gesetze nicht einfach abschaffen.. Schon Sechsjährige,
vor allem Mädchen werden ge- und verkauft, verschachert als Hausmädchen
oder zur Heirat mit einem Nyishi gezwungen. „Es kommt vor, dass
Zehnjährige alte Männer heiraten müssen und von ihnen missbraucht
werden. Wenn sie ein Kind bekommen, kann dieses an einen anderen Nyishi
verkauft werden“, berichtet der Steyler Missionar – es ist eine
verlorene Kindheit. Die Puroiks wehren sich nicht gegen ihr Schicksal - sie kennen es nicht anders. Außerdem wären die Strafen drastisch. „Die Nyishis können den Puroiks die Kinder wegnehmen, ihr Haus niederbrennen, sie sogar töten“, berichtet Pater D’Souza. „Wer versucht zu fliehen, dem kann als Strafe ein schweres Stück Holz an beide Beine gebunden werden. Ein furchtbarer Anblick. Manchmal schleppt ein Puroik das Holz Monate, sogar Jahre hinter sich her.“
Im Kampf gegen die Sklaverei setzt Pater D’Souza vor allem auf Bildung.
„Eine Schule kann Brücken zwischen den Volksstämmen bauen. Und nur durch
Bildung lernen die Kinder die Rechte, die Würde und den Wert des
anderen anzuerkennen und respektvoll miteinander umzugehen.“ Doch
bislang war es den meisten Puroik-Kindern verwehrt, die Schule zu
besuchen, denn sie mussten für die Nyishis arbeiten. Doch allmählich
ändert sich etwas. „In unseren Niederlassungen in Naricamp und Seppa
unterrichten wir bereits Puroiks und Nyishis gemeinsam“, erzählt Pater
D’Souza. Aber das reicht längst nicht, um die Puroiks langfristig aus
der Sklavenrolle zu befreien. Deshalb planen die Steyler Missionare den
Bau einer Schule in Chayang Tajo, die für 31 Puroik-Dörfer der Umgebung
zuständig ist, die aber auch von Nyishi-Kindern und anderen Stämmen der
Region besucht werden soll. Der Bau hat bereits begonnen. Und die
Puroiks helfen fleißig mit, damit ihre Kinder die Chance haben, als
freie Menschen zu leben.
Ulla Arens
Datenschutz | Kontakt | Sitemap | Impressum | Suche